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LOBE ZION DEINEN GOTT

 

Am vorletzten Tag des alten Jahres ging ich wie so oft an der Zionsruine vorbei. Mein Blick fiel auf den Satz, der über der Kreuzigungsgruppe an ihrer Fassade steht: „LOBE ZION DEINEN GOTT“.

 

Dort oben steht er, in Stein gemeißelt, seit 1912. Er hat den 1. Weltkrieg, die Weimarer Zeit, die Hitlerjahre, den 13. Februar 1945, die Nachkriegs- und die DDR-Zeit überdauert. Er  provoziert uns nun schon seit 110 Jahren zum Nachdenken und Einordnen unserer Erlebnisse in gut und schlecht, freudvoll und leidvoll und fordert uns auf zu bilanzieren. Im Ergebnis stelle ich fest: Ich lebe noch, habe zu essen und zu trinken, ein Dach überm Kopf und ein warmes Zimmer. Wir haben freundliche Nachbarn, gute Freunde und wir haben die Zionsgemeinde - sehr gebremst durch die Restriktionen aufgrund der jetzigen Notlage, aber sie ist da. „Die Schwedenkirche“ steht schlicht und einladend neben dem Ärztehaus auf der Bayreuther Straße. Wenn wir die täglichen Nachrichten aus aller Welt hören, spüren wir: Das ist alles andere als selbstverständlich. In mir kommt ein Gefühl des Dankes auf: Wie kam es, dass ausgerechnet wir diese kleine Kirche mit der familiären Atmosphäre geschenkt bekommen haben? Warum haben gerade wir hier die Möglichkeit, als Gemeinde im Ganzen und in kleinen Gruppen vertrauensvoll Kontakt zu knüpfen und zu halten – und das durch mehr als zwei Jahre Pfarrvakanz und mittlerweile auch durch zwei Jahre Pandemie hindurch?                                                          

 

Trotz der vielen Klagegründe, die wir alle haben, – das Andere steht dagegen, macht Mut, schafft Vertrauen, aufeinander zuzugehen. Es läßt uns aufmerksam und kritisch, aber doch getrost nach vorn blicken, weil wir erlebt haben, dass Gott auch da weitergeholfen hat, wo wir selbst keinen Ausweg mehr gesehen haben. Darum wollen wir auch in diesen Monaten daran festhalten: „LOBE ZION DEINEN GOTT“. Vor 40 Jahren hat unsere Grafikerin, Hilde Pötzsch, die zusammen mit ihrer Schwester Annemarie unermüdlich beim Bau der neuen Zionskirche mitgeholfen hat, diesen Satz auf den Linolschnitt geschrieben, den sie zur Kirchweihe 1982 gedruckt hat. Und sie hat recht damit gehabt: Aus genauem Hinsehen wird Danken, und aus dem Danken wächst Loben. Beides wird uns die Kraft geben, die wir gerade in diesen Wochen brauchen. Versuchen wir es!

 

Pfarrer i.R. Michael Kanig         

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