„Jesus Christus spricht: Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!“
Lukas 6,36
Diese Worte aus dem Lukasevangelium
sind ein klarer Auftrag mit einer ebenso einleuchtenden Begründung. Dem gibt es doch eigentlich nichts hinzuzufügen – oder?
Das vom Althochdeutschen abstammende Wort Barmherzigkeit (von „armherzi“) bedeutet so viel wie ein Herz für die Armen und Elenden haben. Das erschließt sich jedem. Gleichwohl ist dieser Ausdruck in unserem täglichen Sprachgebrauch unüblich geworden. Wohlmöglich findet man für kaum einen Begriff mehr (gebräuchliche) Synonyme als für diesen – reichend von A wie Aufmerksamkeit und Altruismus über Entgegenkommen, Fürsorge, Gnade, Güte, Menschlichkeit, Milde, Mitgefühl, Nächstenliebe, Segen, Solidarität, Toleranz, Verstehen, Wohltätigkeit bis Z wie Zuwendung.
Hinter uns liegt ein Jahr, das in vorher kaum gekannter Weise all diese Werte in uns herausfordert. Im reichen, seit 30 Jahren geeinten Deutschland, in unserer Wachstumsgesellschaft, waren wir es gewohnt, auf nichts verzichten zu müssen, vor allem nicht auf unsere Freiheit. Doch diese scheint nun auf einmal massiv eingeschränkt. In der Kirche sollen wir nicht mehr laut singen, Freunde kaum besuchen, geschweige denn umarmen, nicht mit dem Flugzeug auf die spanischen Inseln reisen. Ich liebe es, nach getaner Arbeit in der Sauna zu entspannen oder mit meinen Lieben in einem guten Konzert im Kulturpalast zu sitzen. Gern esse ich beim Griechen um die Ecke oder schlendere über den Striezelmarkt.
Stattdessen ist Verzicht allenthalben angesagt. Es grummelt und rumort in uns, ob das alles so richtig und rechtens ist. Doch wenn wir der Aufforderung der Jahreslosung folgen, wird dieses Opfer wahrscheinlich leichter. Wir müssen uns in Akzeptanz üben – um unserer schlechter gestellten Mitmenschen und nicht zuletzt um unseres eigenen Wohls Willen. Bleiben Sie mitfühlend und behütet.
Dies wünscht Ihnen
Ines Richter-Kuhn
Kommentar schreiben