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Segen

Predigt von Pfarrerin Karin Großmann

zu 4. Mose 6, 22-27

Trinitatis, 7. Juni 2020

Kirchgemeinden Zion und

Paul-Gerhardt Dresden 

 

 

Predigttext:

Der HERR redete mit Mose und sprach:

Sag Aaron und seinen Söhnen und sprich: So sollt ihr sagen zu den Israeliten, wenn ihr sie segnet:

Der HERR segne dich und behüte dich;

Der HERR lasse leuchten sein Angesicht über dir und sei dir gnädig

der Herr erhebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.

 

So sollen sie meinen Namen auf die Israeliten legen, dass ich sie segne. 

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Gebet und Stille.


Liebe Schwestern und Brüder,


manchmal ist es schon verrückt, welche biblischen Texte als Predigttexte ausgewählt wurden für einen Sonntag. Der heutige Sonntag gehört der Dreieinigkeit Gottes. Und der Predigttext hat erst einmal gar nichts damit zu tun. Wir gucken gleich drauf, wie der denn da reingekommen ist. Nichts destotrotz ist es schön, dass wir Zeit haben, uns einmal mit ihm zu beschäftigen. Einige Worte sind uns wohlvertraut. Ich lese aus dem 4. Buch Mose 6, die Verse 22-27:


Der HERR redete mit Mose und sprach:

 Sag Aaron und seinen Söhnen und sprich: So sollt ihr sagen zu den Israeliten, wenn ihr sie segnet:

Der HERR segne dich und behüte dich;

Der HERR lasse leuchten sein Angesicht über dir und sei dir gnädig

der Herr erhebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.

So sollen sie meinen Namen auf die Israeliten legen, dass ich sie segne.


Es ist der Segen, den Aaron – Bruder von Mose und erster Priester des befreiten israelitischen Volkes - den Israeliten zusprechen sollte.  

Und es ist der Segensspruch, wie wir ihn am Ende eines Gottesdienstes empfangen. Das ist so, seitdem Martin Luther den Gottesdienst in seiner „Deutschen Messe“ 1526 neu geordnet hat. Luther war es immer wichtig gewesen, auf die biblische Quelle zurückzukommen, der göttlichen Anordnung zu folgen und die Kraft der biblischen Worte zum Klingen zu bringen. Auch für Calvin hatte die „eigentümliche hebräische Ausdrucksweise doch eine besondere Kraft.“ Damit löste Luther den Segensspruch ab, der zu seiner Zeit üblich war und bis heute in den römisch-katholischen Messen gesprochen wird: „Es segne euch der allmächtige und barmherzige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.“


Ironischerweise würde das wohl heute besser passen – ein trinitarischer Segen zum Trinitatisfest. Luther hat dann aber doch versucht, die drei Zeilen trinitarisch zu deuten: Die Erste für den Vater, die zweite für den Sohn, die dritte für den Heiligen Geist. Und deshalb haben wir diese Verse nicht nur am Ende unseres Gottesdienstes, sondern auch als Predigttext für das Trinitatisfest. Um ehrlich zu sein: Meiner Meinung nach hat Luther hier sehr weit theologisch ausgeholt. Vielleicht, weil man sagen könnte: Das Angesicht Gottes ist in Jesus Christus zu sehen. Wer wissen will, wie Gott ist, soll sich mit ihm beschäftigen. Und auch die Gegenwart Gottes durch den Heiligen Geist ist etwas, was das Angesicht Gottes im weitesten Sinne repräsentiert. Luther hat hier aber eindeutig eine trinitarische Schablone auf etwas gelegt, was schlicht nicht trinitarisch gemeint ist. Und deshalb arbeiten wir uns an dieser Stelle nicht weiter daran ab, sondern gehen mal tiefer zum Kern der Sache dieses Textes. Zu dem, was Segen eigentlich ist.


Segen ist kein guter Wunsch wie: „Alles Liebe zum Geburtstag.“ Oder „Möge dir immer die Sonne scheinen.“ Oder – wie wir es uns zur Zeit ganz besonders viel sagen: „Bleib gesund.“ Das sind gute Wünsche. Und die dürfen sein, na klar.


Segen aber ist der Zuspruch der Gegenwart Gottes. Nicht mehr und nicht weniger. „So sollen sie meinen Namen auf die Israeliten legen.“ sagt Gott zu Mose. Im hebräischen Verständnis steckt im Namen die Person selbst. Ha Shem, hebr. Der Name, ist heute noch im Judentum eine Gottesbezeichnung aus Ehrfurcht vor Gott. Wird also der Name Gottes auf die Menschen gelegt, heißt das nichts anderes als: Gott selbst ist ihnen gegenwärtig.


Wenn wir als Pfarrer und Pfarrerinnen diese Segensformel sprechen, dann ist es nicht unser Segen, den wir da weitergeben. Sondern Gottes Segen. Sehr gut verdeutlich das eine Körper-Übung aus meiner Studienzeit, in dem wir u.a. gelernt haben, zu segnen. Daran lasse ich Sie einmal teilhaben. Denn der Körper versteht manchmal mehr als der Verstand.


Das eine, was es zu bedenken galt: Wie halte ich meine Arme? Natürlich nicht wie jemand, der gerade von der Polizei gejagt wird und die Hände hochnehmen soll. Sondern als ob man eine große Kugel umarmt. So wie Gott diese Welt umarmt und liebt. Und das andere war eine Übung mit einer zweiten Person. Die stellte sich hinter uns, legte ihre Hände auf die Schulter, während wir den Segen sprachen. Als ob der Engel Gottes hinter uns stünde. Und als spürbares Zeichen: Es ist nicht mein, sondern Gottes Segen. Das ist mir bis heute sehr präsent und hat mir geholfen, Segen zu begreifen.


Segen heißt: Gott sei mit dir. Und zwar auch dann, wenn die guten Wünsche versagen, weil sie nicht eintreffen. Wenn dir eben nicht die Sonne scheint in deinem Leben – wenn dir die Liebe fehlt, die dir zu jedem Geburtstag zugesichert wird, oder wenn du nicht gesund geblieben bist. Auch dann bleibt der Segen Gottes. Seine Gegenwart.


Gott ist kein Erfüllungsautomat unserer Wünsche.  Auch als Christen gehen wir durch schwere Zeiten. Manchmal so schwer, dass wir uns fragen: Hat mich mein Gott verlassen? Der Zuspruch des Segens setzt dem etwas entgegen: Nein, er ist da. Gottes ist gegenwärtig.


Schön wäre, wenn wir das wie eine Zauberformel hätten und wir darüber verfügen könnten. Auch damit müssen wir leben, dass nicht immer gleich spürbar ist, wie Gott wirkt. Wir haben es ja schon im Evangelium gehört: Der Geist des Herrn – seine Gegenwart – weht, wo er will. Manchmal kann man das erst im Nachhinein sehen. Wenn Gott aus einer Krankheit oder aus einem Streit oder aus einer schweren Zeit hat etwas Gutes werden lässt.  


Die eindrücklichsten Momente sind natürlich die, die uns ungeahnt widerfahren. Wenn wir etwas spüren von dieser Gegenwart Gottes, ohne, dass wir etwas dazugetan hätten. Das gibt es. Und das sind Momente, die Menschen verwandeln. So erzählt es Christian Möller, Pfarrer und Professor für Praktische Theologie in einer Szene aus einem Gottesdienst (Christian Möller, GPM, 2/2001, Heft 3, S.279):


„Sie erschien nach einem Gottesdienst in der Sakristei, um mir in bewegten Worten für diesen Gottesdienst zu danken. Sie habe seit vielen Jahren keine Kirche mehr von innen gesehen, aber heute habe ihr die Verzweiflung bis zum Hals gestanden, sie habe ständig mit Selbstmordgedanken kämpfen müssen, und da sei sie einfach den Glocken gefolgt und habe die Kirche aufgesucht. Sie müsse ehrlich gestehen, dass sie sich zunächst gar nicht wohl gefühlt habe, alles sei ihr so fremd und ungewohnt gewesen. Auch von der Predigt habe sie leider wenig verstanden, sie sei wohl zu sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen. Schon habe sich ihrer ein tiefes Enttäuschungsgefühl bemächtigt, aber da, ganz am Schluss, da habe sie mich mit erhobenen Händen am Altar stehen sehen, und da habe ich etwas gesagt, was sie wie ein Lichtblitz getroffen habe, und auf einmal sei ein ganz tiefer Friede in ihr eingekehrt, das Gefühl, dass ihr ja eigentlich doch nichts passieren könne. Es sei ein Gefühl gewesen, wie sie es seit ihrer Kindheit nicht mehr erlebt habe, und sie möchte doch gern, dass ich ihr das aufschreibe, was ich da gesagt habe, es sei etwas mit einem leuchtenden Angesicht gewesen und vom Frieden, und sie habe an den Erzengel Michael denken müssen, als sie mich da so habe stehen sehen. Wenn ich ihr jetzt die wenigen Worte, die sie so tief getroffen haben, aufschreiben würde, dann könnte sie das sicher auswendig lernen und sie sei sicher, dass sie besser mit ihren Schwierigkeiten würde umgehen können, wenn sie sich diese Worte ins Gedächtnis riefe.“

 

Es fasst wunderbar zusammen, was Segen ist: Nicht ein nett gemeinter Wunsch, sondern der Zuspruch der wirksamen, heilsamen und verwandelnden Gegenwart des dreieinigen Gottes.

 

In diesem Sinne erfülle uns der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft. Er bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

 

© Pfn. Karin Großmann

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Oelsner (Samstag, 20 Juni 2020 08:18)

    Diese Predigt ist das Beste , was ich jemals zum Thema Segen gehört habe.