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Erfahrungen

Foto: Michael Kramer
Foto: Michael Kramer

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

„Ein Mann hat eine Erfahrung gemacht, jetzt sucht er die Geschichte seiner Erfahrung“, ist einer der ersten Sätze in Max Frischs Buch „Mein Name sei Gantenbein“. Mir ist dieser Satz wichtig geworden, weil er im Grunde genau beschreibt, was Wunder sind, was die Bibel meint, wenn in ihr von Wundern die Rede ist.

 

Also: Ich habe eine Erfahrung gemacht. Ich habe etwas erlebt, was mir wichtig geworden ist, eine neue Erkenntnis gewonnen. Ich habe einer anderen Person helfen können mit einem Wort, einer Tat, vielleicht nur dadurch, dass ich da war. Oder da hat es einen wunderschönen Sonnenuntergang gegeben. Mir ist etwas geschehen, was meinem Leben eine neue Richtung gab. Diese Erfahrung ist ein Teil von mir geworden.

 

Ich weiß noch, wie schwer es sein konnte, einen Aufsatz zu schreiben: Mein schönstes Ferienerlebnis. Es gab schöne Erlebnisse, aber wie sie beschreiben? Wo es um entscheidende Erfahrungen geht, bleiben ja Worte hinter diesen Erfahrungen zurück. Sie erweisen sich als zu eng. Darum brauchen wir Geschichten zu diesen Erfahrungen. Deshalb gibt es ja so große und überwältigende Geschichten, die die Erfahrung der Liebe vermitteln wollen oder so einfühlsame Gedichte. Denn Liebe ist doch mehr als ein bloßer körperlicher Kontakt. Sie gehört in die Dimension hinein, in der ein Blumenstrauß mehr ist als ein Blumenstrauß.

 

Brot und Arbeit, einen Sommer und einen erquickenden Schlaf, die friedliche Revolution, Liebe, Glück, Trauer und Trost – das alles kann ich mit Formeln der Wissenschaft beschreiben. Aber, das reicht nicht aus, wenn ich eine grundlegende Erfahrung gemacht habe.

 

Solche Erfahrungen machen Menschen mit Jesus. Da wendet sich einer denen zu, die ihm begegnen. Nicht nur ihre Seele, sondern ihre ganze Existenz ist ihm wichtig. Auch nicht, dass sie etwa an einem Abend nach langen Gesprächen mit ihm hungrig sind. Jesus hat Menschen gespeist, nicht ab-gespeist, las ich neulich. Solche Erfahrungen machen Menschen neben und mit ihm. Ihn selbst erleben sie als ein Wunder, das ihr Leben verändert. Und bei all dem erfahren sie, was mit Gott gemeint ist. Das ist natürlich ganz natürlich. Aber ich halte es nicht für selbstverständlich, sondern für wunderbar.

 

Martin Lerchner

Oberlandeskirchenrat i.R.

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